Berlin und München, im März 2024 – Der Klimawandel ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, welchem sich von allen Seiten angenommen werden muss. De facto ist die Umwelt- und Klimakrise die größte Bedrohung für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert, wenngleich die Menschen weltweit in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind. Der globale Süden leidet mehr, als die Menschen auf der Nordhalbkugel. Aber auch hierzulande sind die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise und der Zerstörung von Lebensräumen und Ökosystemen zu spüren.
Das neue Positionspapier „Klimakrise – was jetzt für Geburtshilfe und Frauengesundheit in Deutschland zu tun ist“ stützt sich auf Erkenntnisse der Wissenschaft, die gezielt aufzeigen, welchen Einfluss die globale Erwärmung auf Frauen und Kinder, insbesondere auf Schwangere und ihre Ungeborenen, hat. Betont werden dabei die gesundheitlichen Risiken, die mit der Klima- und Umweltkrise einhergehen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF), der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV), die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin sowie viele weitere Fachverbände rund um Frauengesundheit in Zusammenarbeit mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) machen mithilfe des Papiers auf die wichtigsten gesundheitlichen Auswirkung der Klimakrise in ihrem Fachgebiet aufmerksam, weisen auf strukturelle Probleme hin, benennen konkrete Lösungsansätze und motivieren zum aktiven Handeln.
Es ist unsere Aufgabe, die nachhaltige Versorgung von Frauen, Schwangeren, Gebärenden sowie Neugeborenen gemeinsam zu gewährleisten. Grundsätzlich ist es wichtig, proaktiv zu handeln und medizinische Maßnahmen zu optimieren. Wir sollten nicht zögern, unsere Gewohnheiten zu ändern und neue Innovationen zuzulassen.
Prof. Barbara Schmalfeldt, Klinikdirektorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf, Präsidentin der DGGG e.V.
Einfluss der globalen Erwärmung auf Schwangere, Ungeborene und Kinder
Die Redaktionsgruppe des Positionspapiers hebt hervor, dass die Umwelt- und Klimakrise zu erhöhter prä- und perinataler Morbidität und Mortalität führt. Es ist weltweit wissenschaftlich belegt, dass durch Hitzestress und Feinstaubbelastung aus Verbrennung fossiler Energieträger und immer größeren Waldbränden Schwangerschaftskomplikationen wie Tot- und Frühgeburten sowie Plazentationsstörungen mit fetaler Wachstumsrestriktion häufiger auftreten.
Die Fachgesellschaften betonen die Dringlichkeit konkreter Maßnahmen für das deutsche Gesundheitswesen und führen dabei Handlungsvorschläge in den Bereichen „stationärer und ambulanter Versorgungsbereich“, „Praxen“, „Kliniken“ sowie „Patientinnen- und Patientenkontakt“ und „Berufspolitischer Bereich“ an, die jetzt für ein nachhaltiges Gesundheitsweisen und eine klimaresiliente Gesellschaft umgesetzt werden können. Dazu zählt auch ein Paket mit 15 Sofortmaßnahmen zur CO2-Reduktion im Klinikalltag.
Praxen stehen vor großen Anforderungen, die Patientenversorgung an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und begleitend die eigene Praxisorganisation klimafreundlich zu gestalten.
Mit Blick etwa auf Räumlichkeiten, Energie- und Wasserverbrauch, Abfallvermeidung und -entsorgung sowie Nachhaltigkeitsaspekten bei Einkauf und Lieferketten oder auch bei der Verschreibung von Behandlungen sind sie mit sehr komplexen Handlungsfeldern konfrontiert. Ihrem Bemühen um Nachhaltigkeit können Praxen nur dann zielführend nachkommen, wenn sie verlässlich unterstützt werden und geeignete wirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Transformationsprozess vorliegen.
Markus Haist, Zweiter Vorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (BVF)
Implementierung des 5R-Ansatzes: „Reduce, Reuse, Recycle, Rethink and Research“
Es werden konkrete Vorschläge zur Umstrukturierung gemacht, um Nachhaltigkeit und die notwendige Klima-Resilienz zu erreichen. Der Fokus liegt sowohl auf der Anpassung von Gesundheitseinrichtungen an die Klimakrise als auch in der Bekämpfung ihrer Ursachen, allem voran dem Gebrauch fossiler Energien. Die Implementierung des 5-R – Ansatzes „Reduce, Reuse, Recycle, Rethink and Research“ kann das Bewusstsein der Belegschaft der Krankenhäuser und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen schulen. Dies kann positive Effekte auf den Zusammenhalt und die Entwicklung nachhaltiger medizinischer Einrichtungen haben, betonen die Autoren.
Durch eine gesunde Lebensweise und verbesserte Lebenswelten ließen sich überzeugend Krebs- und Herzkreislauferkrankungen vermeiden und damit erhebliche Ressourcen für Diagnostik und Therapie im Gesundheitswesen einsparen. Dazu braucht es z.B. eine optimierte Vergütungspolitik präventiver Ansätze wie ärztlichen Beratungsgesprächen, konsequente und schnelle Maßnahmen zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität, die Förderung aktiver Mobilität und verbindliche politische Maßnahmen für eine pflanzenbasierte Ernährung und eine Reduktion von Industriezucker in verarbeiteten Lebensmitteln.
Prof. Annette Hasenburg, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit Mainz, Leiterin der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit in der DGGG e.V., Mitglied im internationalen FIGO Committee on Climate Change and Toxic Environmental Exposures
Gerade Frauenärztinnen und Frauenärzte sowie Hebammen sollten sich für eine nachhaltige Transformation im Gesundheitswesen einsetzen. Wenn sich die Berufsgruppen als Teil der Lösung begreifen, sich vernetzen und aktiv werden, werden positive Veränderungen erreicht. Gemeinsam können Zusammenhänge zwischen gesundheitlichen Problemen und Klimakrise erkannt, der eigene Arbeitsbereich kann nachhaltig gestaltet und Patientinnen und Patienten können über Möglichkeiten, die eigene Gesundheit und die ihrer Kinder zu schützen, aufgeklärt werden.
Mit dem klaren Appell, dass Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz ist, rufen die Autorinnen und Autoren nicht zuletzt Angehörige von Gesundheitsberufen dazu auf, sich aktiv für eine Transformation zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen einzusetzen.
Das Positionspapier wurde anlässlich des Internationalen Frauentages in Berlin an Bundesministerin für Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus persönlich übergeben. Das Positionspapier soll am 14. März 2024 in Düsseldorf auf dem Fortbildungskongress des BVF e.V. vorgestellt werden.
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