Pressemitteilung |

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Gynäkologische Praxen helfen Patientinnen – auch unabhängig von Anzeigeerstattung

Am 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, und leider erleben viele Frauen und Mädchen Gewalt, ein Teil von ihnen auch wiederholt. Die Zahlen an geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen sind zudem steigend, erst diese Woche veröffentlichte die Bundesregierung ein neues Lagebild. Frauenärztinnen und Frauenärzte nehmen eine Schlüsselrolle als erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen ein. Im vertrauensvollen Umfeld der Praxis sind sie eine wichtige Kontaktmöglichkeit, auch um weiterführende Hilfe anzustoßen. Nach sexuellen Übergriffen helfen gynäkologische Praxisteams Patientinnen unabhängig von einer Anzeigenerstattung. Medizinische Versorgung ist wichtig, um mögliche Folgen von Übergriffen zu versorgen, diese gegebenenfalls zu dokumentieren und auch, um mögliche ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden.

Es ist ein Notfall: Akute Hilfeleistung bei Gewalterfahrung

Gynäkologische Praxen können Mädchen und Frauen, die Gewalt erlebt haben, wichtige Hilfe leisten. Neben der medizinischen Erstversorgung zur Behandlung von möglichen körperlichen Verletzungen, der Vorbeugung von Infektionen sowie ungewollten Schwangerschaften, können sie gesundheitliche Folgen auch dokumentieren. „Unabhängig davon, ob später eine Strafanzeige erstattet wird oder nicht, ist eine medizinische Untersuchung innerhalb der ersten 24 Stunden wichtig – auch wenn es große Überwindung kostet“, rät Dr. Klaus Doubek, Präsident des BVF. „Wenn es der Betroffenen zunächst nicht möglich ist, ist eine ärztliche Behandlung aber immer auch zu einem späteren Zeitpunkt noch sinnvoll.“

Bei einer Vergewaltigung besteht grundsätzlich die Gefahr von Verletzungen im Genitalbereich, Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten oder einer Empfängnis. Es können Blessuren und Schürfwunden versorgt und dokumentiert werden. Außerdem wird auf Infektionen wie HIV, Hepatitis, Syphillis, Tripper und Chlamydien getestet und wenn möglich eine Behandlung eingeleitet. Falls der Verdacht auf eine Empfängnis besteht, kann sie durch die zeitlich passende Gabe eines Notfallkontrazeptivums verhindert werden. Auch die notwendige psychischen Unterstützung kann von frauenärztlichen Praxen sofort eingeleitet werden, um langfristige Probleme zu begrenzen, ebenso wie eine Krankschreibung.

Das ärztliche Handeln ist zunächst vor allem der medizinischen Versorgung verpflichtet und es besteht die vertrauensvolle ärztliche Schweigepflicht. Betroffene Mädchen und Frauen können sich für eine Untersuchung mit einer medizinischen Befundsicherung entscheiden, müssen dies aber nicht. Eine medizinische Befundsicherung vermag Spuren und Verletzungen, die durch die Gewalttat verursacht wurden, sicherzustellen – auch wenn man sich erst später für eine Anzeige entscheidet.

Frauenärztinnen und Frauenärzte helfen auch bei Langzeitfolgen nach Gewalterfahrung

Neben der akuten Versorgung nach Gewalterfahrungen betreuen gynäkologische Praxen auch Frauen und Mädchen, die an körperlichen und psychischen Langzeitfolgen sexueller Übergriffe leiden. „Sexuelle Gewalt kann vielfältige gynäkologische Spätfolgen nach sich ziehen, die Betroffene oft jahrelang belasten, wie zum Beispiel chronische Unterbauchschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder sexuelle Funktionsstörungen“, erläutert Dr. Doubek.

Die Folgen sexueller Gewalt zeigen sich nicht nur körperlich, sondern oft auch in Form schwerwiegender psychischer Belastungen, die das Leben der Betroffenen langfristig beeinträchtigen können. „Viele Frauen leiden unter andauernder Angst, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), die nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch ihre Beziehungen erheblich belasten können“, so Dr. Doubek weiter.

Zusätzlich zu diesen psychischen und körperlichen Beschwerden können chronische Infektionen, Narbenbildung im Intimbereich und eine verminderte Empfindungsfähigkeit hinzukommen, die das Vertrauen in den eigenen Körper erschweren und das Sexualleben beeinträchtigen.

Hier leistet die gynäkologisch-ärztliche Versorgung einen wichtigen Beitrag, da sie ganzheitlich auf die medizinischen und psychischen Bedürfnisse eingeht. Sie kann Betroffene nicht nur umfassend beraten und behandeln, sondern sie bei Bedarf auch an geeignete psychologische und unterstützende Hilfsangebote verweisen.

Eine frühere Gewalterfahrung kann auch Auswirkungen auf eine spätere Schwangerschaft haben. Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, berichten häufiger von Ängsten und Unsicherheiten im Umgang mit den körperlichen und emotionalen Veränderungen während der Schwangerschaft. Zudem können geburtshilfliche Untersuchungen oder die Geburt selbst durch das Gefühl von Kontrollverlust und Berührungen in einem intimen Bereich belastend wirken und Erinnerungen an traumatische Erlebnisse hervorrufen. Dies kann das Vertrauen in den eigenen Körper und das Geburtserlebnis beeinträchtigen. Ein einfühlsames und gut informiertes ärztliches Team kann hier unterstützen, indem es auf besondere Bedürfnisse eingeht, Ängste ernst nimmt und durch behutsame Begleitung hilft, die Geburtserfahrung möglichst positiv zu gestalten.

Frauenärztinnen und Frauenärzte über Zunahme von Gewalt beunruhigt

Die Zunahme von Gewalt gegen Frauen in Deutschland ist ein ernsthaftes und wachsendes Problem, wie das aktuelle Lagebild des BKA über „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ zeigt. Oft sind sie im persönlichsten Lebensbereich besonders gefährdet – von Partnerschaftsgewalt oder innerfamiliärer Gewalt. Im Jahr 2023 waren rund 71 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt Frauen, bei Partnerschaftsgewalt sind es 79 Prozent. Opfer von Sexualstraftaten wurden im Jahr 2023 insgesamt 52.330 Frauen und Mädchen, über die Hälfte von ihnen war unter 18 Jahre alt. Geschlechtsspezifische Gewalt, die in allen erfassten Bereichen zugenommen hat, kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und reicht von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt innerhalb der Partnerschaft bis hin zu sexuellen Übergriffen im öffentlichen Raum. Auch Zwangsverheiratung und Menschenhandel, vor allem Zwangsprostitution bzw. sexuelle Ausbeutung, zählen dazu.

Um Frauenärztinnen und Frauenärzte besser auf die Versorgung von gewaltbetroffenen Patientinnen vorzubereiten, hat das Fachgebiet entsprechende Handlungsempfehlungen vor einiger Zeit aktualisiert.

Unterstützung für Betroffene: Unter der 116 016 erreichen Hilfesuchende das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – die Telefonnummer ist vertraulich, kostenfrei und bietet rund um die Uhr Hilfe und Unterstützung. Weiter zur Webseite des Hilfetelefons: https://www.hilfetelefon.de/

 

Hintergrundinformationen und Quellen: